Hier könnt ihr unsere Interviews nachverfolgen.
Prof. Dr. Arne Graßmann und Hans-Martin Heider, waren so freundlich uns einige Fragen im, natürlich digitalen, Interview zu beantworten. Hier sind die, aus dem ausführlichen Gespräch, zusammengefassten Themen und Antworten für Euch.
Interview 1: Prof. Dr. Arne Graßmann
Inwiefern kann Digitalisierung Reisen und Präsenzzeit ersetzen vor allem unter der aktuellen Lage?
Für mich erledigen sich durch das Homeoffice jeden Tag, ca. 100 Kilometer Reise zur Hochschule, so geht es sicher auch viele Studenten und Arbeitnehmern. Das macht sich dann schon bemerkbar, bei den Kosten, bei den CO2 Emissionen und bei der gewonnenen Lebenszeit.
In meinem Berufsleben vor der Hochschule war ich in einem international operienden Unternehmen tätig. Allein aus Kostengründen wollen Unternehmen Reisen vermeiden. Das lässt sich sehr weit aber nicht vollständig realisieren. Kommunkation mit Kollegen und Geschäftspartnern kann in weiten Teilen durch Webmeetings realisiert werden. Dennoch sind persönliche Kontakte wichtig um eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Dazu gehört auch ein Restaurantbesch am Abend gehören, in dem man nicht nur über dienstliche Belange spricht. Es geht bei der Zusammenarbeit ja häufig um mehr als um den Austausch von Informationen.
In der Hochschule haben meine Kollegen und ich festgestellt, dass es für Studenten erheblich leichter ist, sich kurz in Online-Lerngruppen über die Aufgaben auszutauschen, als Treffen zu vereinbaren. Auch Online – Sprechstunden werden gut angenommen. Leider sind Online-Vorlesungen und Übungen noch nicht so gut besucht wie erhofft.
Was fehlt in Wirtschaft und Lehre, um das Ziel einer gesunden Form der Digitalisierung zu erreichen?
In der Wirtschaft ist das selten ein Problem, da ein Laptop und Diensttelefon verhältnismäßig günstig sind und man ja durchaus daran interessiert ist Reisekosten niedrig zu halten. Da sehe ich weniger Verbesserungsbedarf.
In der Lehre werden Probleme sichtbar, die ich nicht erwartet hätte. Die Erstsemester sind häufig weniger gut mit IT Infrastruktur (Laptop/Drucker) ausgestattet als Studenten in höheren Fachsemestern. Die digitalen Hilfsmittel haben in der Schule anscheinend noch nicht die Verbreitung, so dass bei der IT-Ausstattung der Studenten eine Lücke zu füllen ist.
Je weiter die Studenten im Studium fortschreiten, desto häufiger lässt es sich beobachten, dass Studenten zu digitalen Alternativen greifen und Skripte auf Tablets mitschreiben.
Eine flächendeckende Abdeckung durch geeignete Geräte, welche preislich im Rahmen von Smartphones liegen, wäre eine erhebliche Erleichterung für einen effizienten digitalen Unterricht.
So könnte man die Skripte für die Studenten und Arbeitsblätter für Schüler, welche heute weitgehend ausgedruckt werden müssen, in großen Teilen durch digitale Alternativen ersetzen.
Lässt sich der Schutz oder gar Schaden dadurch an der Umwelt bemessen?
Eine spontane und seriöse Antwort ist da schwierig. Mit Sicherheit lassen sich Schäden durch Reisen (Auto oder Flugzeug) wesentlich reduzieren. Reisezeiten lassen sich wesentlich reduzieren. Papier lässt sich in Teilen ersetzen. Digitale Infrastruktur braucht aber Strom, nicht nur an den Endgeräten, sondern vor allem die nötige Infrastruktur. Den dafür benötigten Aufwand kann ich nicht in Zahlen angeben.
Vermiedene Emissionen durch Fahrten zur Arbeit oder Dienstreisen lassen sich sicherlich auf Basis statistischer Daten erheben. Laut Kraftfahrtbundesamt beträgt die durchschnittliche Kilometerleistung eines PKW in Deutschland ca. 14000 km. Davon entfällt sicherlich ein großer Anteil auf Dienstreisen oder Wege zur Arbeit.
Zu den Schattenseiten der Digitalisierung kann ich ebenso keine seriöse Zahl angeben. Es lässt sich aber sicher sagen, dass das Herunterladen eines Skriptes weniger energieaufwändig ist als das Ausdrucken.
Google und andere Internetkonzerne veröffentlichen möglicherweise Zahlen zum Energieaufwand der Server.
Hier noch ein Link mit weiteren Infos:
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Googles-Rechenzentren-richten-sich-nach-dem-Wetter-4708696.html
Hier haben wir nun etwas Recherche getrieben. Der Energiekonzern EON veröffentlicht klare Zahlen.
Gerade einmal 0,3 Wattstunden kostet eine Google-Suchanfrage, davon werden aber 40.000 Stück jede Sekunde getätigt.
Allein die deutschen Server benötigten 2017 ca. 13,2 Mrd. kWh Strom, so viel wie die Stadt Berlin.
Laut dem „Verband Deutsches Reisemanagement“ und „Statista“ wurden in dem gleichen Jahr aber auch 187,5mio. Geschäftsreisen in Deutschland getätigt.

Was kann man persönlich tun um die Schäden der Digitalisierung so gering wie möglich zu halten?
Das ist eine weitgefasste Frage, aber das fängt bei mir schon mit dem Kippschalter an der Steckleiste vor dem Schlafengehen an. Ich habe mal nachgemessen und im Haus eine Grundlast beim Strom von 80Watt festgestellt. Das sind 1,9 kWh am Tag und 700 kWh im Jahr. Also 20% meines Gesamtverbrauches an Strom.
Es ist also ein einfaches Mittel, bei Steckleisten, welche man regelmäßig erneuert, beim nächsten Kauf welche mit Kippschalter zu kaufen, so, dass man nachts über die Geräte auch wirklich ausschalten kann und nicht nur auf Standby stellt.
Ich gebe zu, dass ich, wenn ich mir eben mal einen Kaffee koche auch nicht den Bildschirm ausschalte, damit könnte man aber wohl auch noch etwas einsparen.
Ein gesunder Umgang und stets bewusst Entscheidungen, statt Gewohnheitshandeln sind hier aber wohl das Beste. Nur dort digitalisieren, wo man einen Mehrwert erreichen kann.
Hier noch ein paar Tipps, aus der vorhin Zitierten Seite:
Mit Bedacht streamen, und vielleicht doch ab und zu mal wieder zur DVD greifen.
Mails regelmäßig löschen und den Zufluss im Blick behalten.
Ebenso sinnvoll ist der Einsatz zeitbegrenzender Mailfilter, die etwa Newsletter oder Spam, nach einer festgelegten Zeit automatisch in den virtuellen Papierkorb sortieren.
Zusätzlich lohnt es sich, darüber nachzudenken, wie man die eigene Nachrichten-Flut reduzieren kann: Ist wirklich jede Kleinigkeit ein Mail wert? Und auch immer gleich ans ganze Team?
Cloud-Dienste sind grundsätzlich eine Riesenhilfe, sicher, aber muss tatsächlich jedes Urlaubsfoto, jedes Katzenvideo, dort monatelang unbeachtet aber klimaschädigend gehortet werden? Auf externen Festplatten oder USB-Sticks lagern Datensammlungen und Backups auf jeden Fall sehr, sehr viel sparsamer und umweltschonender.
Zu guter Letzt – und so liebend gern wir jede noch so banale Kleinigkeit googeln: Alles, was wir nicht suchen, sondern mit ein wenig Überlegung selbst erinnern oder im Gespräch mit anderen klären können, ist nicht nur ein Geschenk an die Umwelt, sondern womöglich ein willkommener Anlass zu… persönlicher Kommunikation.
Ein zusätzlicher Tipp: Wlan statt Mobildaten nutzen und diese vielleicht auch mal ausschalten.
Haben Sie abschließende Worte, welche Sie auch jüngeren Leuten, wie uns und der FridaysForFuture-Bewegung mitgeben wollen?
Ich will auf keinen Fall so tun, als könnte ich, der ich ja nun nicht mehr zur Jugend zähle, den jungen Leuten die Welt erklären und den Besserwisser spielen. Das wäre schlichtweg falsch und ungerecht.
Nun gut, haben Sie abschließende Worte, welche Ihnen Entscheidungen, bei solch schwierigen Fragen wie diesen, erleichtert haben?
Da würde ich sagen, dass es immer wichtig ist Entscheidungen abzuwägen und bewusst zu treffen. In der Zeit als Schüler und Student habe ich häufig Entscheidungen spontan und aus dem Bauch getroffen.
Das Berufsleben hat mich dahingehend erzogen, Entscheidungen wohl und mit Bedacht zu treffen und deren Auswirkungen im Blick zu halten. Wenn man z.B. in einem Kraftwerk einen Versuch fährt, bedeutet das tausende Kilowattstunden an Brennstoffverbrauch. An einem Versuchstag kann man so leicht einen ganzen Tankwagen an Heizöl verbrauchen. Mit dieser Energiemenge heizen einige Familien einen ganzen Winter ihre Häuser. Da ist eine vorher gut abgestimmt Computerberechnung häufig eine bessere Alternative, oder hilft zumindest dabei die notwendigen Experimente auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
Auch in Sachen Digitalisierung! Sie ist kein Selbstzweck und sollte dort eingesetzt werden wo sie einen Nutzen bringt.
Ebenso wichtig ist es, Dinge kritisch zu hinterfragen; auch das was ich und andere Ihnen erzählen ist, wenn es nicht sofort belegt wird, vielleicht eher eine Meinung als ein Fakt. Interessieren Sie sich für anderer Sichtweisen und abweichende Meinungen und Standpunkte. Nicht alle Standpunkte und Sichtweisen, die ihren entgegenstehen sind falsch.
Kritisches Nachfragen und Hinterfragen, kann nie schaden und führt häufig zu besten Lösungen.
Interview 2: Hans-Martin Heider (Heider Verlag)
Wie sehen Sie die aktuelle Lage und Entwicklung von print zu digital Medien?
Bezogen auf unser business absolut ausgewogen und sinnvoll.
Was kann digital ersetzt werden, was sollte man nicht ersetzen?
Als Geschäftsführer eines mittelständischen Familienbetriebs für den die Digitalisierung die Kanibalisierung des Geschäftsmodells bedeutet, bin ich in dieser Frage naturgemäß sehr gespalten. Es gibt einige wenige Produkte, deren Digitalisierung zwingende Vorteile gegenüber Print hat: Ich denke an alle Formen der behördliche Nachrichten (Steuer, Finanzen, Arbeitsrecht etc.) sowie alle Produkt, wo wir gezielt nach Informationen suchen. Anwälte, die nach Präzedenzfällen recherchieren, wälzen heute keine Akten mehr, sondern suchen Online oder auf kommerziell bereitgestellten Datenbanken. Hier wird sich Digitalisierung nicht aufhalten lassen, weil sie zwingende Vorteile bietet. Hier ist sie aber auch schon weitgehend Realität! Sprechen wir über alle Druckprodukte, die heute in Teilen und im weiteren Sinn „Kulturgut“ sind. Deren Substitution wäre für mich eine gesellschaftliche und geistige Verarmung, die weder eine Staat noch die Menschen selbst anstreben. Es gibt Studien, die belegen, dass Gelerntes aus Büchern besser und langfristiger verarbeitet wird, wenn es aus Büchern aufgenommen wurde und man sich schriftlich damit auseinandergesetzt hat. Oder nehmen wir Gedrucktes, das der Unterhaltung dient. Der große Hype um die e-books ist vorbei. Der jetzt erreichte Marktanteil dieser Produktgruppe stagniert, weil das haptische Erlebnis, ein Buch in Händen zu halten und darin zu blättern, für die meisten Menschen zugleich ein Genuss ist, den sie nicht missen möchten.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Wirkung von Print als „Bedarfsauslöser“, vor allem in der Werbung. Print wirkt unaufdringlich und weckt Interesse an Produkten. Digitale Werbung wird von vielen als aufdringlich und lästig empfunden. Stört es uns nicht alle, wenn wir beim Surfen, von Werbung unterbrochen werden?
Wichtig für die Zukunft der Druckereien ist, dass Drucksachen so gut wie möglich nachhaltig produziert werden. Also klimaneutral, umweltfreundliche Papiere und Farben etc. Hier investieren wir sehr viel in know-how und Technik.
Wie ist die Digitalisierung aus Sicht der Wirtschaft zu betrachten?
Da ist vor allem an den Verlust von Arbeitsplätzen zu denken, die keine außerordentliche Qualifikation erfordern. Nicht alle Menschen sind geeignet für ein Studium oder eine Ausbildung. Sie sind dann die Verlierer der Digitalisierung. Also z. B. angelernte Maschinenhelfer in allen Produktionsstätten, deren Produkte durch die Digitalisierung obsolet werden. Die Kassiererin an der Supermarktkasse, wenn wir demnächst nur noch durch Schranken gehen und die Waren automatisch von unseren Konten abgebucht werden etc. Vielleicht irritieren Sie meine Gedanken, wenn ich als Arbeitgeber sage, dass Rationalisierung durch den Wegfall von Arbeitsplätzen zu einer Gewinnoptimierung führen können. Wenn der Preis dafür aber auf Sicht soziale Unruhen bedeuten, möchte ich diesen auch als Unternehmer und Arbeitgeber, der zur Erhaltung der Arbeitsplätze auf unternehmerische Gewinne angewiesen ist, nicht bezahlen. Wenn wir alles nur noch aus dem Blickwinkel der kurzfristigen Gewinnmaximierung sehen würden, liefe in unserem Land etwas völlig falsch!
Welche Anreize brauchen Wirtschaft und Bildung?
Konkrete Lösungen auf die vorgenannte Frage.
Haben Sie praktische Tipps für den Alltag, was kann man selber tun?
Jeder muss für sich im Alltag entscheiden, welche Form der Informationsnutzung die individuell bessere ist. Da gibt es keine generelle Handlungsempfehlung.
Claudia Bacmeister
22/04/2020
Danke für das Paper und das informative Interview. Damit und der geplanten Aktion am Freitag setzt ihr Akzente. Die Grüne Jugend wird sichtbar!
Hab übrigens noch einen Tipp gelesen: zuhause WLan statt Mobilfunk nutzen zum Datenverkehr auf den Handy.
Daniel Bender
23/04/2020
Vielen Dank,
wir haben die Seite nun um das Zweite Interview mit dem Geschäftsführer des Heider Verlages erweitert und deinen Kommentar in die Tipps eingebaut.